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Kommunikationsformen








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M. war das erste Kind, das mir begegnete, das nicht ein Wort sprach. Aber nicht nur das, sie verstand mit ihren fast fünf Jahren auch nicht, was Sprechen bedeutete. Ihr Großvater hatte sie mitgebracht und nun saß sie da zusammengekauert in der Ecke, in die sie sich gerettet hatte. Meine Selbstzweifel hinsichtlich der im Raum stehenden Herausforderung kann sich jeder unschwer ausmalen. Gebärdensprache war keine Option, wie sich herausstellte.

Sie blieb nicht die einzige Patientin, die nicht sprechen konnte. Jeder Fall lag jedoch anders. Ich musste eine Menge lernen und Vorurteile revidieren. McGilchrist hilft hier weiter, auch wenn sein Buch für M. zu spät kam. Er öffnet die Augen dafür, dass Lautsprache nicht alles ist, sondern dass Körpersprache mindestens ebenso bedeutend für die Kommunikation ist. Ohne uns dessen bewusst zu sein, entnehmen wir nonverbaler Kommunikation sehr viel. Bereits mit Blicken verständigen wir uns und die Vermittlung von Inhalten über Tänze (Körpersprache) war vor nicht allzu langer Zeit gang und gäbe.

Ohne Empathie ist diese Art der zwischenmenschlichen Kommunikation allerdings nicht oder kaum möglich. Geduld, Beobachtung und Konzentration auf den Partner sind ebenfalls gefragt. Was meint dieses Kind A., das ein Playmobilkind in der Hand hat und mit den Füßen aufstampft? Ach ja, es ist ärgerlich darüber, dass man der Figur die Haare nicht abmachen kann. Oder warum führt es die mit Magneten versehenen Buchstaben zum Mund und wirft sie dann weit weg? Es teilt mir sichtlich mit, dass es weiß, dass bei anderen die Sprachlaute aus dem Mund springen. Es legt sogar das ABC. Hilft es in der Therapie weiter, wenn darüber diskutiert wird, Autismus ja oder nein? Das Konstrukt Autismus mag ja in anderen Zusammenhängen angebracht sein, aber in diesem Fall wurde deutlich, dass andere Informationen nützlicher waren: Dieses Kind hatte nie etwas in den Mund genommen. Die Sprachlosigkeit in der Lautsprache war letztendlich nur ein Teil der Problematik.

Bei Säuglingen und Kleinstkindern ist die Körpersprache essentiell. Bei ihnen ist diese Art der Kommunikation natürlich. Sie ist übrigens rechtshemisphärisch nicht nur mit einem Nachempfinden der Körperhaltung, sondern auch mit Bildsprache (Metaphern) verbunden und ist von ganz anderer Art als Lautsprache. Sie verschwindet im Verlauf des Lebens nicht, tritt hingegen nur in unserer Art der Zivilisation in den Hintergrund.

Übrigens, fast hätte ich es vergessen; M. ist inzwischen erwachsen. Es macht Freude, sich mit ihr über Gott und die Welt auszutauschen, denn sie denkt nach, hat Humor und einen eigenen Standpunkt. Sie wollte (später als andere) lesen lernen und hat es trotz allem geschafft. Dass der Weg zur Lautsprache hin mühsam war, kann sich jeder vorstellen. Aber klar ist, dass der Anfang dafür in der empathischen Verbindung lag, im Singen, in Kleinkinderspielen und in der körperlichen Darstellung von Vorgängen. Unser erstes Wort war „flieg“ und das kam aus einer Wolke glitzernder, kleiner, immer wieder in die Luft geworfener Blättchen.

© Dr. Sigrid Graumann-Brunt 2020