Startseite

Die bunte Reihe

Die fliegenden Blätter

Zur Person

Kontakt / Anfahrt

Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Seitenanfang




    © 2015 Dr. Graumann-Brunt

Eingangstür geschlossen Dr. Sigrid Graumann-Brunt


21. Transkribieren oder Rechtschreiben





Eingangstür geöffnet


© Dr.Sigrid Graumann-Brunt

Jeder kennt den Slogan: Transkribierst du noch oder verwendest du schon Rechtschreibung?

Was steckt dahinter?

      Bild: Adalbert Falk, Minister/Schirmherr    Adalbert Falk, Minister/Schirmherr

Auf 1876 (genauer dem 4. bis 15. Januar dieses Jahres) könnte man (mehr oder weniger) den Beginn unserer Rechtschreibung datieren. Damals gab es eine „Konferenz zur Herstellung größerer Einigung auf dem Gebiet der deutschen Orthographie“ (I. Orthographische Konferenz) in Berlin.

Am 17. bis 19. Juni 1901 gab es eine weitere Konferenz mit „Beratungen über die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung“ (II. Orthographische Konferenz), ebenfalls in Berlin.

Auf diesen Konferenzen wurde unsere Schreibweise vereinheitlicht, sie als zukünftige Konvention vereinbart. Wir schreiben seitdem keineswegs das, was wir hören – das käme einem Transkribieren gleich -, sondern wir schreiben so, wie es vereinbart wurde. Die Schreibweise der Wörter holen wir aus unserem Gedächtnis heraus. Allerdings müssen wir sie vorher dort „installiert“ haben – eine aufwändige Arbeit. Sie ist allerdings irgendwann abgeschlossen, während die Mühe beim Transkribieren nie aufhört.

Kinder aufzufordern, genau hinzuhören und dann das Gehörte niederzuschreiben, ist zwar förderlich hinsichtlich ihrer transkriptiven Fähigkeiten, nicht aber für ihre Rechtschreibung.

Da jedes Wort in einer anderen Satzumgebung etwas anders ausgesprochen wird, entstehen bei den Kindern, die nach Gehör schreiben, mit der Zeit mehrere konkurrierende einander ähnliche Konzepte (besonders hinderlich beim Lernen) nebeneinander. Es werden sog. Interferenzen gefördert, die bekanntermaßen nicht gut reversibel sind.

Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist leicht zu überprüfen: Jeder, der schon einmal einen ihm unbekannten, nicht gebräuchlichen Namen notiert und verstümmelt weitergegeben hat, weiß um dieses Problem. In Diktaten findet man bekanntermaßen Wörter wie habn=haben (1), ain=ein (2), mea=mehr (3) usw.. Das /e/ in (1) wird kaum noch gesprochen, wir sprechen ein /ai/ in (2), und das auslautende /r/ in (3) hört man so gut wie gar nicht mehr, sondern ein (vokalisiertes) /a/.

In den 60er Jahren wurden bereits in den hamburgischen Grundschulen normabweichend geschrieben Wörter nicht mehr mit roter Schrift korrigiert, um Interferenzen ähnlicher Wortgestalten zu vermeiden. Und heute?