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Dr. Sigrid Graumann-Brunt
21. Transkribieren oder Rechtschreiben
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© Dr.Sigrid Graumann-Brunt
Jeder kennt den Slogan:
Transkribierst du noch oder verwendest du schon Rechtschreibung?
Was steckt dahinter?
Adalbert Falk, Minister/Schirmherr
Auf 1876 (genauer dem 4. bis 15. Januar dieses Jahres) könnte man (mehr oder weniger)
den Beginn unserer Rechtschreibung datieren. Damals gab es eine Konferenz zur
Herstellung größerer Einigung auf dem Gebiet der deutschen Orthographie
(I. Orthographische Konferenz) in Berlin.
Am 17. bis 19. Juni 1901 gab es eine weitere Konferenz mit Beratungen über
die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung
(II. Orthographische Konferenz), ebenfalls in Berlin.
Auf diesen Konferenzen wurde unsere Schreibweise vereinheitlicht, sie als zukünftige
Konvention vereinbart. Wir schreiben seitdem keineswegs das, was wir hören – das
käme einem Transkribieren gleich -, sondern wir schreiben so, wie es vereinbart
wurde. Die Schreibweise der Wörter holen wir aus unserem Gedächtnis heraus.
Allerdings müssen wir sie vorher dort installiert haben – eine
aufwändige
Arbeit. Sie ist allerdings irgendwann abgeschlossen, während die Mühe beim
Transkribieren nie aufhört.
Kinder aufzufordern, genau hinzuhören und dann das Gehörte niederzuschreiben,
ist zwar förderlich hinsichtlich ihrer transkriptiven Fähigkeiten, nicht aber
für ihre Rechtschreibung.
Da jedes Wort in einer anderen Satzumgebung etwas anders ausgesprochen wird, entstehen
bei den Kindern, die nach Gehör schreiben, mit der Zeit mehrere konkurrierende
einander ähnliche Konzepte (besonders hinderlich beim Lernen) nebeneinander. Es
werden sog. Interferenzen gefördert, die bekanntermaßen nicht gut reversibel
sind.
Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist leicht zu überprüfen: Jeder, der schon
einmal einen ihm unbekannten, nicht gebräuchlichen Namen notiert und verstümmelt
weitergegeben hat, weiß um dieses Problem. In Diktaten findet man
bekanntermaßen Wörter wie
habn=haben (1), ain=ein (2), mea=mehr (3)
usw.. Das /e/ in (1) wird kaum noch gesprochen, wir sprechen ein /ai/ in (2),
und das auslautende /r/ in (3) hört man so gut wie gar nicht mehr, sondern
ein (vokalisiertes) /a/.
In den 60er Jahren wurden bereits in den hamburgischen Grundschulen normabweichend
geschrieben Wörter nicht mehr mit roter Schrift korrigiert, um Interferenzen
ähnlicher Wortgestalten zu vermeiden. Und heute?
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