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Dr. Sigrid Graumann-Brunt
23. Spielunterbrechung bei jungen Kindern
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© Dr.Sigrid Graumann-Brunt
Es ist eine Situation, die jeder kennt, der mit kleinen Kindern zu tun hat: Muss das
Spiel unterbrochen werden, so fangen die Kleinen an zu schreien und zu weinen, sie
schmeißen sich auf den Boden, sind nicht davon abzuhalten, weiterzuspielen.
Erklärungen sind sie nicht zugänglich.
Das liegt an der einfachen Tatsache, dass sehr junge Kinder den Ablauf einer
(Spiel-)
Handlung nicht unterbrechen können; ebenso wenig ist es ihnen möglich,
Spielregeln mitten im Spiel zu ändern, auch dann nicht, wenn sie das Anliegen
durchaus verstehen. Es ist deshalb weder eine Charaktereigenschaft noch böser
Wille, wenn junge Kinder schreiend versuchen, schnell noch eine Handlung
abzuschließen, sondern sie folgen der Natur ihres Reifungsstandes,
sie können einfach nicht anders.
Der Ablauf der Handlung muss durchgezogen werden, sie haben noch
keine Macht über ihn, wenn er einmal begonnen hat.
Dass im Alltag aufgrund von Terminen nicht immer darauf Rücksicht genommen werden
kann, steht auf einem anderen Blatt. Manchmal hilft es, das Spielzeug aus dem Blickfeld
zu entfernen, bei einigem Glück entsteht dann der Effekt aus den Augen, aus
dem Sinn. Allerdings wird mit dem Fortgang der kindlichen Entwicklung diese
Maßnahme wirkungslos.
Erst mit zunehmender Reife gelingt es Kindern, Teile einer aktuellen Aktion für
einen Augenblick wegzustellen, etwas einzuschieben und dann wieder
Abgelegtes aufzugreifen. Dann können sie auch die Abänderung
von Spielregeln während der Spielhandlung tolerieren.
Deshalb ist es auch ein wichtiger diagnostischer Hinweis auf eine Reifungsverzögerung,
wenn ein älteres Kind es nicht schafft, z.B. die Änderung einer Spielregel zu
akzeptieren oder die Weiterführung eines Spieles auf später zu vertagen.
Andererseits ist es auch ein Hinweis auf eine Weiterentwicklung, wenn eines Tages das
Kind Unterbrechungen ohne Tränen hinnehmen kann.
Warum ist das so? Es ist wenig dazu zu finden, aber neben der Tatsache, dass im
frühen Lebensalter zwanghaftes Verhalten allgegenwärtig ist (keine Änderung
der Spielregeln möglich), kann es auch sein, dass die noch fehlende
Gedächtnisleistung mitwirkt; das Zeitgefühl ist noch nicht ausgeprägt
und nur das Hier und Jetzt zählt. Das Kind weiß noch nicht,
dass das Spiel zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden kann.
Die Information entstammt Rosenzweig et al. 1999; siehe auch das Heft 8
zum Kinderspiel
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