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Dr. Sigrid Graumann-Brunt
15. Klammern und Greifen
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Klammern und Greifen
© Dr.Sigrid Graumann-Brunt
Wann tritt der Klammer (=Greif) -reflex auf?
Während der Zeit als Fetus und nach der Geburt noch für einige Zeit
danach ist der eingeschlagene Daumen physiologisch (=regelrecht
in der Entwicklung). (Der nachfolgende Bildausschnitt ist aus dem sehr empfehlenswerten
Buch von B.Zukunft-Huber: Die ungestörte Entwicklung ihres Babys. 1990
Trias S.191. Nach Frau Zukunft-Huber sollte diese Handhaltung im 4.Monat
verschwunden sein.). Wichtig: die Klammerhaltung ist nicht nur in den Händen,
sondern auch in den Füßen zu finden. Klammern wird hier als
Ausdruck vorgezogen, da das Greifen eigentlich eine Absicht einschließt und
das beim Klammern nicht der Fall ist (ist vom Hirnstamm dominiert).
Wie häufig Ist ein nicht ausgereifter und nicht ausreichend integrierter
Klammerreflex?
Häufiger als man denkt. Er ist leicht zu erkennen: Bildet jemand auf Aufforderung
eine Faust und der Daumen liegt innen, so liegt ein Rest eines Klammerreflexes vor.
Für jemanden mit einer ausgereiften
Hand ist ein innen liegender Daumen vom Gefühl her unangenehm. Es gibt auch
Fälle, in denen die Hand ausgereift ist, nicht aber die Füße und
umgekehrt. Deshalb lohnt es sich, auch bei den Füßen nachzusehen.
Weshalb klammern wir?
Hier ist ein Bezug zu unserer menschlichen Frühgeschichte zu finden. Zu Zeiten
der Australopithecinen pflegten die Menschen auf Bäumen zu übernachten. Der
Säugling klammerte sich an den Haaren der Mutter fest, denn sie benötigte
ihre Arme und Beine zum Klettern. Sehr oft ist eine Fixierung bei einem noch vorhandenen
Klammerreflex auf Haare zu finden (Spiel mit den Haaren). Ist er bei einem äteren
Kind noch sehr stark, sollte man tunlichst seine
Haare in Sicherheit bringen.
Wie stört das reflektorische Klammern Handbewegungen?
Die reflektorisch klammernde Hand ist eine unentwickelte Hand. Weder Finger noch
Daumen können sich unabhängig voneinander bewegen; entweder strecken oder
beugen sie sich alle. Das erschwert alle haptischen Tätigkeiten. Die Funktions-
und Materialerkundung (Beginnen des Spielens) mit der Hand ist bereits
beeinträchtigt, da das Ergreifen schwer fällt. Besonders beim Schreiben
und Malen fällt es auf, es führt dabei zu absonderlichen Handhaltungen
(Kompensationen). Die Vielfalt der Handbewegungen ist beschränkt (berechnet
man alle Kombinationen der 14 Fingergelenke bei einer ausgreiften Hand, so kommt
man auf (theoretisch) ca. 16 000).
Warum stört das reflektorische Klammern das Gehen?
Der Reiz auf dem Ballen (auch eines Fußes) führt zu einer klammernden Haltung
(beider!) Füße, die die Stabilität empfindlich ins Wanken bringt.
Dazu gehören eine Beugung der Knie, eine Mitbewegung der Hüfte
und auch eine entsprechende Störung
der Handaktivität. Folge: Ausweichen auf die Außenkanten der Füße
beim Gehen, Wippen, Ruhelosigkeit (weg vom Reiz), Standprobleme, Abneigung gegen lange
Wanderungen usw..
Gibt es eine Verbindung zu Störungen des Sprechens?
Ja, die kann es geben, denn am Anfang unseres Lebens besteht eine enge Hand-Fuß-Mund-Verbindung. Das Klammern führt zu einer Verhinderung von Streckbewegungen im Mundbereich.
Was kann man tun?
Man sollte Klammern und Spreizen, Klammern und Spreizen (Hände und Füße), immer wenn man Zeit hat, aber stets mit geschlossenen Augen. Eines Tages geht die Hand auf!!! Da mit dem Klammern auch oft generalisierte Erscheinungen des Nicht-Los-Lassenkönnens einhergehen, löst sich manches Problem im mitmenschlichen Bereich nach Wegfallen des Klammerreflexes ebenfalls (ganz allmählich).
Weitere Literatur auf Nachfrage (per e-Mail).
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