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Dr. Sigrid Graumann-Brunt
Das Greifen (Klammern) in den Füßen beim Stehen und Gehen
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Das Greifen (Klammern) in den Füßen beim Stehen und Gehen
Autor: Dr. Sigrid Graumann-Brunt
Frühkindliche Bewegungen können auch in späterer Lebenszeit auftreten und dann,
meistens unbemerkt, Verwirrung stiften. Dieses Wissen verdanken wir vor allem auch
Dr. Temple Fay, der solcherart Bewegungen bei seinen hirnorganisch geschädigten
Patienten beobachtet und Behandlungen entwickelt hat.
Auch wenn die wissenschaftlich gesicherte Beweislage hinsichtlich der Erfolgschancen eines
Herangehens im Sinne Fays noch recht mager ist, so kann man doch nach den Ergebnissen in
der Praxis guten Gewissens raten, hier und da dem Prinzip zurück zu den
Anfängen zu folgen und nachsitzen (eigentlich nacharbeiten)
lassen. Wir haben Glück, dass wir diese Möglichkeit überhaupt haben und
Versäumtes nachholen können. Das gelingt aber nur dann, wenn wir mit einer
Übung der ursprünglichen natürlichen in verschiedenen Hinsichten so
nah wie nur möglich kommen. Von essentieller Bedeutung ist es, über das
Schließen der Augen den Zustrom des non-image-forming light zu erzeugen,
der durch die Augenlider flutet. Übungen werden dann besser angenommen; aus der Praxis
kann man schließen, dass diese Art des aufgenommenen Lichts eine entscheidende
Komponente für die Erkennung und Akzeptanz einer nachgeholten Bewegung zu sein scheint.
Hier soll es jetzt um Reste des frühkindlichen Greifens in den Füßen gehen.
Füßen Beachtung zu schenken hatte mir vor längerer Zeit Dr.Cramer (damals
bereits im Ruhestand) dringend ans Herz gelegt. Ich kam mit ihm ins Gespräch, da bei
den Diskussionen zur KISS-Problematik immer wieder auch Fußfehlstellungen und
normabweichende Gangbilder ins Blickfeld kamen. Deshalb stelle ich hier im
Auftrag Dr.Cramers einige Beobachtungen vor.
Nicht ganz zutreffend ist der Terminus des Greifens, wiewohl er seit jeher
etabliert und gebräuchlich ist. Greifen ist dem Wort nach zielgerichtet, intentional
und man vermutet bewusste Anteile. Es gibt jedoch ein frühes Greifen in den
Füßen, das dem Klammern der Hände verwandt ist und das man eher
auch als Klammern bezeichnen müsste. Wie das Klammern in den
Händen ist es im frühen Alter nicht normabweichend.
Es ist von Bedeutung, dass die Klientel, die hier im Focus ist, nicht die ist, bei der
eine Differentialdiagnose bei einer schwerwiegenden neurologischen Erkrankung erforderlich
wird (siehe den Klassiker von Bronisch hierzu), sondern es sind Personen, die im Alltagsleben
durchaus zurechtkommen, bei denen aber trotzdem sich einmischende frühe
funktionelle Muster zur Unzeit auftreten und Störungen verursachen. Ein sehr
einfaches, gut handhabbares Kriterium für die Entscheidung, ob es sich im Kern
um Reste eines frühkindlichen Musters handelt, ist die Beobachtung, dass sich
die Reaktion aktuell nach einigen Übungen abschwächt und insgesamt ein
Fortschritt da ist. Jeder weiß, dass es nach einiger Befassung mit fruchtlosen
Versuchen Zeit wird, alles neu zu überdenken.
Wenn wir davon ausgehen, dass das frühkindliche Klammern/Greifen in den Füßen
dem in den Händen mindestens ähnelt – und das tun wir hier - folgt es wie dieses
den Gesetzen des Zwangs. Es ist wie dieses außerordentlich kräftig, langandauernd
und nicht willkürlich zu steuern, deshalb auch nicht in der Form abzutrainieren wie man
eine sportliche Bewegung trainieren würde. Setzt es durch einen Reiz auf die Fußsohle
ein, so gerät nicht nur der Fuß in eine Beugehaltung und die Zehen klammern, sondern
es knickt auch das Knie ein und selbst die Hüfte vollführt eine leichte Mitbewegung
(Abduktion und Außenrotation). Man kann beobachten, dass die Füße gleichsinnig
agieren und zueinander streben. Steht ein Individuum auf seinen Füßen, so führt
das Einsetzen dieses frühkindlichen Klammerns nicht nur zu einer Instabilität im Stand, sondern im
ungünstigen Fall auch zu der kurzfristigen Desorientierung, die einschießende
Reste frühkindlicher Bewegungsformen mit sich bringen können.
Die Probleme beim Stehen und Gehen summieren sich auf und können langfristig zu
bedeutenden Störungen der Gesundheit führen. Da der ungünstige Verlauf
sich schleichend über Jahre und Jahrzehnte hinziehen kann, wird der Beitrag des
Rest-Klammerns nicht damit in Verbindung gebracht.
Steht oder bewegt sich eine von diesen Resten geplagte Person (A), so wird sie immer
versuchen (natürlich nicht in bewusster Form!), dem Klammern entgegenzuwirken.
Die durch die gebeugten Knie und die verlagerten Hüften entstehende
Instabilität der Haltung ist kontraproduktiv in Hinsicht eines ruhigen Standes
und einer harmonischen Vorwärtsbewegung.
Geht oder läuft dieselbe Person, so wäre eigentlich das Kreuzmuster mit einem
(vereinfacht gesehenem) gebeugten und einem gestreckten Bein die richtige Wahl. Das System
der Person A wird aber verzweifelt versuchen, dem Kreuzmuster wie auch dem Klammern gerecht
zu werden und das in den Füßen, den Knien und den Hüften. Der Widerspruch
ist offensichtlich: Ein Bein kann sich nicht gleichzeitig beugen und strecken.
Beobachtet man Gangbilder von Betroffenen, so ist die Mühsal bei den Versuchen, der
Fortbewegung und dem Klammern gleichermaßen gerecht zu werden, unschwer auszumachen:
Es gibt neben etlichen Variationen in den Gangbildern Klassiker, bei denen beide Beine
gestreckt bleiben oder solche, bei denen beide gebeugt bleiben. Auch Zehenspitzengänge
kann man in dem Zusammenhang sehen. Geschmeidige, harmonische Vorwärtsbewegungen, wie
man sie gerne sieht, fehlen in diesen Fällen. Häufig wird über Knieschmerzen
geklagt, bereits von Kindern.
Die Füße wirken oft verfestigt, hölzern und unlebendig, manchmal sind sie
sogar deformiert, bei der Fortbewegung macht das Abrollen Mühe. Das ist nicht
überraschend, vergegenwärtigt man sich, dass das frühkindliche Klammern
mit seiner undifferenzierten und zwanghaften Beugung des Fußes sich nur
schwerfällig und langsam löst und so dem Rhythmus des Fußes beim Gehen
nicht entsprechen kann. Die Bewegung der Füße aufeinander hin verlagert das
Gewicht auf die Außenkante.
Es liegt nahe, dass in diesen Fällen nicht nur die strapazierten Gelenke leiden,
sondern auch die Fußsohlenpumpe, die an der Rückführung des venösen
Blutes entscheidend beteiligt ist, unter erschwerten Bedingungen arbeitet mit
langfristigen Folgen.
Auffallend oft fehlt bei Betroffenen die Freude am langen Gehen oder Laufen. Deshalb
ziehen auch noch die Auswirkungen einer mangelhaften Bewegungsfreude nach.
Im Liegen ist über eine sanfte Reizung der Ballenregion leicht zu überprüfen,
ob die Füße noch klammern. Man sollte der Beobachtung mehr als einen Moment
Zeit geben, da Reaktionen oft erst nach einer Latenzzeit eintreten. Beobachtet werden
sollen beide Füße, auch die Hände und der Mund, da so Informationen
gewonnen werden können, wie weit das Bewegungsmuster noch überspringt
(oft bis hin zu einer Art Milchtritt-Konstellation, bei dem alle
Extremitäten und der Mund aktiviert werden). Nützlich ist es auch,
dabei vermittels eines guten Geräts den Puls und den Blutsauerstoffwert
zu erfassen, da es Kinder gibt, die hochsensibel auf Reizungen der Füße
reagieren.
Schaut der Patient in eine andere Richtung, so erfährt man oft, dass er die
Bewegungen bewusst nicht wahrgenommen hat.
Wie schon gesagt wurde, ist den Resten des frühkindlichen Klammerns mit
traditionellen Methoden aus gutem Grund nicht so recht beizukommen.
Die Übung, die hier vorgeschlagen wird, ist sehr einfach. Das ist durchaus beabsichtigt,
denn die Erfahrung zeigt, dass die Einfachheit von Übungen dafür sorgt, dass sie
überhaupt gemacht werden. Allerdings muss diese Übung wie auch andere, die den
frühkindlichen Reflexresten beikommen wollen, recht häufig angewendet werden, bis
eine dauerhafte Besserung eintritt. Aber in der aktuellen Situation bringt sie durchaus
Erleichterung und wird deshalb gut angenommen.
Es wird mit geschlossenen Augen geklammert.
Es wird mit beiden Füßen geklammert.
Noch besser ist es, auch mit den Händen zu klammern.
Der Kopf beugt sich in Richtung der klammernden Füße (und Hände).
Die Füße sind im Fußgelenk im 90°-Winkel nach oben ausgerichtet.
Auf keinen Fall darf eine Spitzfußhaltung eingenommen werden.
Alle Zehen klammern.
Das Kniegelenk wird gebeugt.
Die Hüfte bewegt sich mit.
Diese Übung kann jeder selbständig in einer mehr oder weniger einfachen Form ohne
Hilfestellung durch andere Personen durchführen. Mit kleineren Kindern kann man ein
vollständiges Klammern erreichen, indem man mit zwei Fingern der einen Hand jeweils
ein Händchen und mit zwei Fingern der anderen Hand die Füßchen zum Klammern
bringt. Die Kinder liegen dabei, der Kopf liegt auf einem Kissen erhöht. Verwendet
werden kann auch ein Seil, an den gezogen wird. Es sollte nicht zu kurz geklammert werden.
Nützlich ist es auch, innerlich dabei in Form des Rehearsals sprechen zu lassen
(Festhalten, festhalten…loslassen).
Kinder machen die Übung nach den Erfahrungen in der Praxis auch in der Schule ohne
die Schuhe auszuziehen mal eben zwischendurch. Es scheint für sie kein Problem zu
ergeben, dabei für kurze Zeit die Augen zu schließen.
Zwei Nachträge ganz allgemeiner Art liegen noch an:
Das Klammern könnte auch einen Einfluss auf die Sitzhaltung haben, denn es fiel
auf, dass Kinder nach einer Übung nicht mehr den vorher eingenommenen Zwischensitz
einnahmen.
Den Beitrag von Resten des Klammerns in den Füßen bei der beliebten Prüfung
des Gleichgewichts vermittels des Stehens auf einem Bein kann man vermindern und ein klareres
Ergebnis erhalten, wenn man die oben beschriebene übung vorher machen lässt.
© Dr. Sigrid Graumann-Brunt
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