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Dr. Sigrid Graumann-Brunt
13. Gedächtnis, Vorrats- haltung und Lernen
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Gedächtnis, Vorratshaltung und Lernen
© Dr.Sigrid Graumann-Brunt
Hat Gedächtnis mit Vorratshaltung zu tun?
Ja, eine Menge. Gedächtnis wird mit Vorratshaltung in Verbindung gebracht, denn
sein Ursprung liegt darin, dass gesammelte Vorräte wieder gefunden werden
müssen. Der Ort dieser Vorräte ist natürlicherweise wichtig. Deshalb
ist beim sog. räumlich visuellen Skizzenblock, der ersten
Gedächtnisstrategie, die Ordnung im Raum eine wichtige Komponente.
Vorräte wurden und werden auch erschnüffelt – deshalb spielt
zusätzlich der Geruchssinn beim Gedächtnis eine Rolle, an Gerüche
erinnert man sich besonders früh und intensiv.
Gibt es dafür Beweise?
Ja, bei Intensivierung der Vorratshaltung wächst bei Tieren der Hippokampus,
(Ort bestimmter Prozessoren des Gedächtnisses).
Männchen einer bestimmten kleinen Säugetierart leben in der Savanne polygam,
die im Wald haben aber nur eine Partnerin. Die in der Savanne haben einen
größeren Hippokampus als die im Wald; schließlich müssen sie sich
merken, wo ihre verschiedenen Familien, die sie abwechselnd besuchen, wohnen. Das
Problem haben die im Wald nicht ……
Hat die Vorratshaltung auch beim modernen Menschen einen Bezug zur Entwicklung
des Gedächtnisses?
Ja, zumindest einen indirekten! Man kann davon ausgehen, dass das Betreiben
von Vorratshaltung die Entwicklung des Gedächtnisses fördert.
In einer Familie, in der Vorräte (im weitesten Sinne) angeschafft und verwaltet
werden, existiert ein konkretes Vorbild für die Anschaffung und
Verwaltung auch von Gedächtnisinhalten.
Sollte ein Kind an Gesprächen und Aktivitäten, die die Vorratshaltung
betreffen, teilnehmen?
Auf jeden Fall, natürlich in einer seinem Alter und seiner Kompetenz entsprechenden
Form! Neben dem Führen eines Taschengeldkontos in irgendeiner Form kann man
Schulkindern vollverantwortlich die Aufgabe der Verwaltung eines
Vorratsbereiches übertragen (Milch, Zucker, nicht unbedingt der Schokolade).
Schüler können (persönliche Erfahrungen) bereits im Verlauf des
2.Schuljahres in der Schule Material verwalten und das äußerst effektiv!
Sollte man sich bei Problemen einmischen?
Nur im Notfall. Erfahrungen müssen selbständig gesammelt und
verarbeitet werden. Der Vorratsbereich, der zur Verfügung gestellt wird, sollte
so sein, dass Fehler nicht zu Katastrophen führen (z.B. würde das bei Brot
u.U. der Fall sein). Ansonsten müssen Fehler toleriert werden, meist führen
sie zu weiteren Lernschritten.
Die Wahrnehmung solcher Aufgaben hat weitere Vorteile:
Das Kind wird nicht nur versorgt, sondern trägt zur Versorgung der Familie bei.
Verantwortungsbewusstsein und Selbstwertgefühl werden gesteigert,
die Bindung an die Alltagsrealität verbessert. Das Kind wechselt vom
versorgten Objekt zum handelnden Subjekt und wächst allmählich
in die Wahrnehmung von Aufgaben des Alltags hinein.
Kann Schaden entstehen?
Nur bei Überforderung, deshalb muss vorher sorgfältig überlegt werden,
was vorgeschlagen werden soll. Z.B. sind Kinder manchmal mit der Versorgung von Tieren
überfordert, manchmal nicht.
Was hat Vorratshaltung mit Lernen zu tun?
Vorratshaltung hat mit Gedächtnis zu tun und Lernen ist
wiederum mit Gedächtnis untrennbar verbunden. Wir lernen für spätere
Zeiten. [Schleiermacher: Beim Lernen (auf jeden Fall von Kulturtechniken) opfert man
einen gegenwärtigen Augenblick für einen späteren auf]. Wird das Kind
mit Vorratshaltung befasst, so wird auch eine Türe für das Verständnis
geöffnet, dass es nicht falsch ist, die Zukunft vorzubereiten.
Mehr dazu steht im Heft 6.Gedächtnis und Reste nicht ausreichend integrierter frühkindlicher Reflexreaktionen , weitere Literatur auf Nachfrage (per e-Mail).
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