Startseite

Aus der Praxis für die Praxis

ADS/ADHS, foot abnormality, postural insufficiency and genu valgum

Oxford lecture transparencies

Kinetic Imbalances due to Suboccipital Strain

Die bunte Reihe

Die fliegenden Blätter

Zur Person

Kontakt / Anfahrt

Impressum






    © 2018 Dr. Graumann-Brunt

Eingangstür geschlossen Dr. Sigrid Graumann-Brunt

Das altmodische Buchstabieren von Wörtern aus dem Kopf und die Rechtschreibung



Eingangstür geöffnet

Das altmodische Buchstabieren von Wörtern aus dem Kopf und die Rechtschreibung

Autor: Dr. Sigrid Graumann-Brunt

In der Praxis der Entwicklungstherapie junger Schulkinder kommen häufig Probleme der Rechtschreibung zur Sprache, die nicht so einfach zu lösen sind. Hier soll es jetzt um eine besonders einfache, altmodische Hilfsmaßnahme gehen, nämlich das Buchstabieren. Keineswegs ist die Methode ein Allheilmittel, aber man kann davon ausgehen, dass sie unterstützend wirkt.

Zur Rechtschreibung sind unter den fliegenden Blättern Kurzinformationen unter den Nummern 21 und 36 zu finden. In ihnen wird der Unterschied zwischen dem Transkribieren und dem schreiben nach konventionellen Vereinbarungen angesprochen.

Transkribieren ist die Verschriftlichung von gesprochenen Entitäten vermittels phonetischer Schriftzeichen, während Rechtschreibung auf einer Konvention basiert, die festlegt, in welcher Form ein Wort vereinbarungsgemäß geschrieben werden soll. Die Konzepte, die das Ergebnis dieser Vereinbarung sind, ähneln zwar dem gesprochenen Wort und können deshalb erkannt werden, dennoch sind sie damit nur sehr selten lautlich auch nur annähernd identisch; das zeigt sich besonders einprägsam in den unterschiedlichen Ergebnissen, die Mitglieder einer Gruppe vorlegen, die an der Transkription eines Satzes gearbeitet haben – da kann lange diskutiert werden. Kinder wissen so etwas nicht – wie denn auch -, was einmal zu dem verzweifelten Ausruf eines Kindes führte: „Aber das muss man mir doch sagen!“

Wenig beachtet werden auch die Probleme (psychophysischer Art), die untereinander ähnliche verschriftlichte graphische Konzepte dann bereiten, wenn sie zu dem normierten Konzept zusammengefasst werden sollen, denn vermischt abgespeicherte ähnliche und deshalb konkurrierende Konzepte widerstehen einer Revision relativ hartnäckig.

Natürlich gibt es eine Reihe von Maßnahmen, mit denen man dem Rechtschreibeelend heutzutage begegnet und natürlich gibt es von berufener Seite sehr viel zu dem Prozess des Rechtschreiberwerbs zu sagen. Auch von funktional neurophysiologischer Seite her könnte man versuchen, sich den Details der Aneignung der schriftlichen Konzepte und deren Verschaltung mit (künstlich definierten, weil keine Silben) lautlichen Entsprechungen zu nähern, vielleicht sogar könnte man völlig andere Sichtweisen hinzuziehen (wie z.B. epigenetische Befunde). Aber, wie gesagt, hier geht es aktuell nur um die Darstellung des einfachen Verfahrens des Buchstabierens bzw. um das Einprägen von Wörtern nach der Rechtschreibung vermittels des Buchstabierens aus dem Kopf und zwar zunächst vorwärts und später rückwärts.

Dieses Vorgehen soll das Erlernen der konventionellen Schreibweise von gebräuchlichen Wörtern unterstützen. Manche Kinder erwerben die „richtige“ Schreibweise wie von selbst. Sie greifen sie dem Anschein nach aus ihrer Umgebung auf; anderen bereitet sie große Mühe. Ihnen fällt es schwerer, sich das Schriftbild zu merken, vor allem, wenn es nicht in kleinere Einheiten aufgeteilt ist. Aber auch für sie gilt, dass ihnen später alle zu schreibenden Wörter geläufig sein können, dann nämlich, wenn sie bzgl. des Erwerbs der Schreibweise von Wörtern etwas gefunden haben, das ihnen weiterhilft.

Das Buchstabieren von Wörtern aus dem Kopf entspricht der Art des Gedächtnisses, die man bei jüngeren Kindern findet: Dem visuell-räumlichen Skizzenblock. Die Kinder merken sich das Bild (das grafische Symbol) eines Wortes oder eines Wortteils, einer Silbe, prägen sich dessen Elemente ein, lassen im Kopf ein Gegenstück (ebenfalls ein grafisches Symbol, aber gedanklich) entstehen und geben die Elemente wieder. Durch das laute Aufsagen wird der grafische Eindruck gestützt und das Gesehene mit dem Gesprochenen verbunden. Im weitesten Sinne folgt dieses Prinzip der aufgeschobenen Nachahmung (nach Piaget), denn es wird nach einer vorgegebenen Form ein Symbol im Kopf erzeugt, das dann wiedergegeben wird. Unterschiede sind jedoch da: Anders als bei der aufgeschobenen Nachahmung handelt es sich hier um eine bewusste Aktivität und die Art des Konzepts, um das es bei der Rechtschreibung geht, ist völlig andersartig. Übrigens ist es auch so, dass die aufgeschobene Nachahmung ohne das Zutun der Umgebung entsteht und uns Menschen eigen ist, die Aneignung eines Schriftbildes hingegen ihre Wurzeln in der Zivilisation hat.

Buchstabieren hat viele Vorteile, auch solche, die über den Erwerb der Rechtschreibung hinausgehen. In aktueller englischsprachiger Literatur werden Untersuchungen zitiert, die das untermauern (siehe hierzu z.B. das, was Sian Beilock in „Choke“ dazu zusammengetragen hat). Vermutlich wegen des Gedächtnistrainings steigern sich Schulleistungen über das Schreiben und Lesen hinaus besonders durch das Rückwärtsbuchstabieren. Buchstabiert man ein Wort rückwärts, so muss man das gesamte Wort in grafischer Form vor dem inneren Auge entstehen lassen und es stabil halten. Probiert man das rückwärtige Vorgehen selbst aus, so merkt man sofort, dass es wesentlich anspruchsvoller ist als das einfache Buchstabieren.

Man kann auch davon ausgehen, dass Kinder über eine praktikable und für sie übersichtliche Methode mehr Sicherheit in schulischen Dingen gewinnen, was sich für sie emotional positiv auswirken und in der Folge zu einer Verbesserung ihrer Gesamtsituation hinsichtlich ihrer Schulleistungen beitragen kann. (Dass sich so etwas positiv auswirken kann, ist beforscht worden.) Nach den Erfahrungen in der Praxis schätzen die Kinder das Vorgehen mit dem Buchstabieren, sie nehmen es sozusagen „sportlich“.

Folgendes Vorgehen hat sich bewährt:

Copyright Dr.S.Graumann-Brunt


In einen Kasten kommen kleine Karteikarten.

Begonnen wird mit sehr einfachen Wörtern mit 3-5 Buchstaben.

1. Das Wort wird kennengelernt.

Auf die erste Karte wird ein dem Kind bekanntes Wort vom Kind sauber, groß und richtig geschrieben.

2. Das Wort wird eingeprägt.

Das Kind liest das Wort und es prägt es sich ein; es schaut das Wort an und buchstabiert es.

3. Das Wort wird aus dem Kopf buchstabiert.

Die Karte wird umgedreht oder das Wort abgedeckt und das Kind buchstabiert das Wort aus dem Kopf. War es nicht ganz richtig, wird alles „weggewischt“ (nur Geste) und der Vorgang wiederholt.

4. Das Wort wird rückwärts aus dem Kopf buchstabiert.

Das Kind buchstabiert das Wort rückwärts aus dem Kopf. Dafür ist Konzentration erforderlich und Geduld ist vonnöten (Beispiel d-n-u-h/Hund). Wörter mit bestimmten Diphthongen (ei, eu, au, ui und äu) sind schwieriger, bei ihnen sollte man das rückwärtige Buchstabieren zunächst weglassen.

5. Das Wort wird geschrieben.

Wird das Wort einwandfrei beherrscht, wird es ohne Vorbild aus dem Kopf niedergeschrieben.

6. Der Sticker als Belohnung

Insbesondere kleinere Kinder - aber nicht nur die -, lieben es, sich einen kleinen glitzernden Sticker auszusuchen und ihn auf „ihr“ neues Wort zu kleben. Es kann als „goldenes Wort“ oder als „dein/mein Wort“ bezeichnet werden.

Dasselbe geschieht mit der nächsten Karte mit dem nächsten Wort.

Tipps

Copyright Dr.S.Graumann-Brunt


1. Begonnen wird mit sehr einfachen Wörtern, die dem Kind sehr gut bekannt sind, am besten mit Nomen.

2. Pro Tag werden nicht zu viele Wörter erarbeitet, zu Beginn reichen 3-4. Es ist wichtiger, die Wörter präzise zu etablieren, als deren Quantität zu erhöhen. Außerdem soll der Punkt nicht erreicht werden, an dem Abwehr und Widerstand gegen die Arbeit entstehen.

3. Es sollte möglichst jeden Tag daran gearbeitet werden, außer am Sonntag. In den Ferien gibt es eine freie Zeit.

4. Legt man 250 Übungstage zugrunde, so würden theoretisch in einem Jahr an die 800 erarbeitete Wörter zusammen kommen.

5. Mit dem Buchstabieren und diesem Kasten kann man sehr früh anfangen (in der zweiten Hälfte des 1.Schuljahres mit Wörtern, die Buchstaben enthalten, die bereits bekannt sind). Bei Kindern, denen das Lesen Schwierigkeiten bereitet, wirkt das Buchstabieren unterstützend.

6. Buchstabiert wird nicht in Silbenform, das /t/ bleibt ein t, es ist keinesfalls ein te, das k ein k, nicht ein ka. Eine Ausnahme bildet das /h/, das ohne Vokalisation kaum wiederzugeben ist. Wie früher wird für das v das Wort „Vogel-v“ verwendet, das ch und je nach Sachlage auch das sch können unter Umständen wie ein Buchstabe behandelt werden. Der Erfahrung nach buchstabieren die Kinder diese Laute jedoch lieber beim Rückwärtsbuchstabieren über die einzelnen Zeichen. Das y wird mit dem ganzen Wort belegt.

7. Bei dem Erreichen einer bestimmten Anzahl von Wörtern, zum Beispiel bei 100 Wörtern, kann eine kleine Belohnung vereinbart werden.

8. Man sollte bereits fixierte Wörter später ab und zu wieder überprüfen.

Nochmals: Besonders empfohlen wird das Buchstabieren rückwärts.

Unten finden Sie eine Liste mit ca 250 besonders einfachen Wörtern (ad hoc zusammengestellt). Sie wird noch erweitert und verbessert.

      Abbildung Tabelle Wortliste 1

      Abbildung Tabelle Wortliste 2

      Abbildung Tabelle Wortliste 3

      Abbildung Tabelle Wortliste 4

© Dr. Sigrid Graumann-Brunt

zum Seitenanfang / back to top of page